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Ökologie • Spiritualität • Regionalismus
Hauptseite
1. Einleitung
2. Die Geschichte der Umweltbewegung in Deutschland
3. Die gegenwärtige Umweltbewegung in den USA
4. Die Entstehung und Entwicklung des Bioregionalismus in den USA
5. Das Weltbild des Bioregionalismus
6. Bioregionalistiche Wirtschaftsmodelle
7. Bioregionalistische Spiritualität
8. Bioregionalistisches Kriegertum
9. Bioregionalismus in Deutschland?
10. Ausklang
11. Verwendete Literatur
6. Bioregionalistiche Wirtschaftsmodelle
Die vom Bioregionalismus empfohlenen alternativen Formen der Wirtschaft sind kein Produkt eigenständiger Denkprozesse oder Experimente. Wir finden nichts, das nicht schon von der US-Alternativbewegung, den ihr zeitlich vorangehenden anarchistischen Kollektiven oder den vielfältigen Projekten im Rahmen der hoch im Kurs stehenden „eigenständigen Regionalentwicklung“, die als globaler Trend bewertet werden kann, entwickelt und erprobt worden wäre. Die Leistung des Bioregionalismus liegt in der Zusammenfassung derartiger Entwürfe und der erneuten Betonung ihrer gesamt-gesellschaftlichen Bedeutung.

Der allgemein akzeptierte vom bioregionalistischen Aktivisten und Historiker Kirkpatrick Sale verfasste ökonomische bioregionale Lehrsatz lautet: „Bioregionale Wirtschaft bedeutet die Produktion eines Minimums an Gütern mit einem Minimum an Umweltzerstörung mit dem Gebrauch eines Maximums an menschlicher Arbeits- und Schöpferkraft.“

Zur bioregionalistischen Wirtschaftsphilosophie gehören darüber hinaus folgende drei grundlegende Prinzipien:

  • Selbstversorgung und Autarkie: Bioregionen sollen wirtschaftlich möglichst unabhängig sein, um eine stabile, von den Schwankungen der Weltwirtschaft möglichst unabhängige Wirtschaft aufzubauen, die von der einheimischen Bevölkerung kontrolliert wird. Damit sollen multinationale Konzerne und zentralistische Bürokratien aus der jeweiligen Bioregion vertrieben werden Die angestrebte Selbstversorgung darf aber nicht als Isolation mißverstanden werden. Handel und Austausch sollen ihren zwar reduzierten, aber dennoch berechtigten Platz in einer bioregionalen Wirtschaft einnehmen.
  • Selbsthilfe: Durch die Mitarbeit in selbstbestimmten Projekten soll die weit verbreitete psychologische Stimmung, Opfer entfernter Kräfte und damit hilflos und ohnmächtig zu sein, überwunden werden.
  • Zusammenarbeit: Sie wird als Motor bioregionalistischer Wirtschaft angesehen und als Alternative zum kapitalistischen Wett-bewerbsprinzip gehandelt. Das Prinzip der solidarischen Zusammenarbeit wird in Gegnerschaft zu sozialdarwinistischen Thesen aus der Naturbeobachtung und aus der gesellschaftlichen Praxis der archaischen Stammeskulturen abgeleitet und so legitimiert.

Von größter Bedetung im Bioregionalismus ist das Thema „Landwirtschaft“, die für eine regionale Autarkie unverzichtbar ist. Bioregio-nalisten fördern oder praktizieren den organisch-biologischen Landbau, die Permakultur und verwandte Methoden. Neben der Förderung kleiner landwirtschaftlicher Betriebe bei gleichzeitiger Verweigerung der importierten Massenware der Agrarindustrie , spielt bei den US-Bioregionalisten aber auch die jahreszeitlich bedingte Wildpflanzennutzung eine Rolle.

Die regional verwurzelte Landwirtschaft erhält die Aufgabe, bedrohte Samen von Nutzpflanzen zu erhalten und so den Verteidigungskampf für die genetische Vielfalt und gegen Hybridsamen und Monokulturen der Multis aufzunehmen, die die Bauern weltweit in eine bedenkliche Abhängigkeit treiben. Der Bioregionalismus ist demnach ein eifriger Verteidiger des mittelständischen und auch kleinen Bauerntums, das in allen Industrienationen um sein Überleben kämpft. Die Verbrüderung der Bioregionalisten mit der Mehrheit der zumeist christlich-konservativen Bauernschaft ist bis jetzt aber leider ausgeblieben. Neben der gesellschaftlichen Randgruppenexistenz der meisten Bioregionalisten spielt dabei wohl auch die spirituelle Verklärung des Bauerntums, die Teil der bioregionalistischen Weltsicht ist, eine Rolle. In der bioregionalistischen Zeitschrift 'Raise the Stakes' vom Herbst 1983 heißt es z.B.: „Wir möchten Bauern sehen, die die Fruchtbarkeit des Landes feiern. Wir möchten sehen, wie das Pflügen eines Feldes wie ein Gebet, als ein Akt der Liebe, vollzogen wird, indem man still auf den richtigen Moment wartet und dann die Erde sanft und ehrfurchtsvoll wendet.“ Mit einem derart schöngeistigem Pflügen kann sich aber wohl kaum ein im Existenzkampf stehender Landwirt indentifizieren.

Der Bioregionalismus hat übrigens keine konkrete Stellungnahme zur Frage des Privateigentums erarbeitet. Im Wesentlichen wird dieses akzeptiert, ebenso das Recht des Bauern auf eigenen Grund und Boden. Eine Infragestellung des Privateigentums wird allerdings indirekt erkennbar, wenn es um Besitzungen der Multis und der ländlichen Großgrundbesitzer geht. Vom radikalen Flügel der US-Bioregionalisten wird Landbesitz in größerem Ausmaß in der ideelen Tradition des römischen Reiches gesehen; als „Recht“ zu besitzen und zu kontrollieren, was ursprünglich durch Eroberungen und Plünderungen gewonnen wurde. Auch wenn der Bioregionalismus dem Großgrundbesitz nicht direkt den Kampf ansagt, so wird doch immer wieder die Forderung erhoben, dass kein Profit aus privatem Großgrundbesitz erwirtschaftet werden darf. Bioregionalisten neigen zu Traditionen gemeinschaftlicher Landnutzung, in der man nach indianischem Vorbild als weiser 'Hüter der Erde' wirken soll.

Zur Industrie hat der Bioregionalismus hingegen ein eher negatives Verhältnis. Der Begriff „Industrie“ wird von Bioregionalisten oft als Synonym für den zerstörerisch wirkenden Kapitalismus verwendet. Um eine positive Neubesetzung des Begriffs bemüht sich seit 1993 Brian Hill, ein US-amerikanischer Kulturanthropologe und Bioregionalist der ersten Stunde. Auf seine Initiative wurde ein 'Institut für bioregionale Ökonomie' errichtet, das auf ideologischer Ebene den Bezug des Bio-regionalismus zur Industrie herausarbeitet. Danach müssen bioregionale Industrien im lokalen Besitz befindliche, gemeindeorientierte Produktions-systeme sein, die zur nachhaltigen Entwicklung der spezifischen Bioregion beitragen. Bioregionale Industrien sollen die Antithese zu dem herkömmlichen Industriesystem mit seiner natur-zerstörerischen Massenproduktion sein. Bioregionalistische Industrien sollen natürliche Kreisläufe und Ordnungen unterstützen und die Vernetzung des Menschen mit der ihm umgebenden Natur bewusst machen.

Darüber hinaus bemühen sich die US-Bioregionalisten um die Etablierung alternativer d.h.
zinsfreier Geldsysteme und der Förderung des Tauschhandels. ⇒⇒⇒